Doch mit hieb- und stichfesten Zahlen zum weiteren Bedarf tut sich die Kreisverwaltung noch schwer, wie ihre Antwort auf eine Anfrage der CDU-Fraktion im Kreistag ergab - Teilfortschreibung des Kreispflegeplanes bis 2023

Enzkreis. Mit dem derzeitigen Bau von 48 Kurzzeitpflegeplätze durch das Sozialwerk Bethesda am Krankenhaus Mühlacker wird nur ein Teil des bestehenden Bedarfs abgedeckt. Doch mit hieb- und stichfesten Zahlen zum weiteren Bedarf tut sich die Kreisverwaltung noch schwer, wie die Antwort auf eine Anfrage der CDU-Fraktion im Kreistag ergab. „Jedenfalls steht fest, dass ein Schwerpunkt der Kreispolitik der nächsten Jahre der Ausbau der Tages- und Kurzzeitpflege sowie anderer Formen wie Wohngemeinschaften sein wird“, zog Fraktionsvorsitzender Günter Bächle (Mühlacker) das Fazit. Er kündigte eine intensive Diskussion der Antwort auch mit der CDU-Fraktion im Gemeinderat von Pforzheim sowie mit den CDU-Sozialausschüssen Enzkreis/Pforzheim und weiteren Beteiligten an.

Die Kreisverwaltung schreibt von einer „großen Planungsunsicherheit“ etwa bei der Tagespflege: Von 415 – 425 als Mindestbedarf bis hin zu 1.000 - 1.019 Plätzen als Maximalbedarf reichten, je nach Szenario, die Zahlen. Der Bedarf im Bereich Kurzzeitpflege liege demnach bei 80 - 100 Plätzen, so Margit Jäger vom Sozial- und Versorgungsamt, dort zuständig für Strategische Sozialplanung, und Sozialdezernentin Katja Kreeb. Fest stehe, so die Kreisverwaltung, dass derzeit zusätzlich 50 bis 54 Plätze in Wohngemeinschaften geplant seien. „Bei allen Unsicherheiten von Bedarfsberechnungen zeigt der Alltag, wie wichtig hier Fortschritte sind“, so Dr. Peter Napiwotzky als Hausarzt in Mühlacker, aber auch als Sprecher der Union im Sozial- und Kulturausschuss des Kreistags. Die Verkürzung der Liegezeiten in den Kliniken sei spürbar, so Bürgermeister Luca Prayon, CDU-Kreisrat aus Remchingen. Fraktionssprecher Günter Bächle kündigte einen ergänzenden Antrag der CDU zu diesem wichtigen sozialen Zukunftsthema an.

Die Fortschreibung der Kreispflegeplanung habe eine ganze Zeit lang geruht. „Ohne Corona hätten wir jetzt bereits die Fortschreibung bis 2025 in Händen. Als deutlich wurde, dass die Pandemie länger andauern wird und der ursprünglich angedachte Horizont immer näher rückt, habe sich die Kreisverwaltung dazu entschlossen, den Planungshorizont bis 2030 auszuweiten. Inzwischen habe der Enzkreis beim Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) die Berechnung von Orientierungswerten für die Bereiche Tagespflege, Kurzzeitpflege und Dauerpflege in Auftrag gegeben. Auf Grundlage dieser Zahlen soll im Herbst eine Teilfortschreibung des Kreispflegeplanes erstellt werden, mit der wir voraussichtlich im Frühjahr 2023 in den Kreistag gehen können.

  1. Wie sieht es im Enzkreis aus, nachdem Bethesda am Krankenhaus Mühlacker eine Kurzzeitpflege baut? Wie verteilen sich die Plätze insgesamt über den Landkreis, wie hoch werden nach Fertigstellung des Bethesda-Hauses IST und SOLL in der Kurzzeitpflege sein?

Die Planungen in Mühlacker umfassen 48 Kurzzeitpflegeplätze. Neben über hundert „eingestreuten“ Plätzen gibt es im Enzkreis 12 Kurzzeitpflegeplätze, bei denen die Zweckbindung noch bis 2026 bzw. 2027 läuft. Die eingestreuten Plätze, die keine Zweckbindung (mehr) haben, werden häufig zur Dauerpflege eingesetzt. Sie sollten deshalb bei den Planungen als verlässliche Größe in der Kurzzeitpflege nicht mitgerechnet werden.

Nachdem Dr. Messmer, der im Rahmen der Pflegeheimförderungen, im Auftrag des Sozialministeriums die Bedarfszahlen für die Kreise berechnet hatte, in den Ruhestand gegangen war, hatten die Landkreise ihn gemeinsam beauftragt, die Bedarfe bis 2025 zu berechnen. Der Bedarf im Bereich Kurzzeitpflege liegt laut seinen Angaben bei 80-100 Plätzen. Im Rahmen des Aktionsbündnisses Kurzzeitpflege bietet das Land seit 2018 Förderprogramme an, um die Entstehung neuer Einrichtungen zu unterstützen. Die Träger reagieren zurückhaltend darauf, da eine investive Förderung zwar den Start erleichtert, die große Herausforderung in der Kurzzeitpflege jedoch in der Finanzierung des Dauerbetriebs liegt.

Uns liegen neben Mühlacker keine weiteren Pläne für Kurzzeitpflegeangebote im Enzkreis vor. Die Nachfrage in diesem Bereich ist groß und die Tendenz steigend.

  1. Wie schätzt die Verwaltung IST und SOLL bei Tagespflege, Nachtpflege? Wie wird sich nach Einschätzung der Verwaltung die Pflege in der Familie entwickeln - können wir diese stärken?

Der Bedarf im Bereich der Tagespflege ist nur sehr schwer zu ermitteln, da Tagespflegeplätze nicht gleich Tagespflegegäste sind. Es gibt Gäste, die die Tagespflege nur ein oder zweimal in der Woche aufsuchen und Gäste, die jeden Öffnungstag wahrnehmen. 2019 hatten wir mit Abfragen in der stationären und teilstationären Pflege begonnen. Die Rückmeldungen aus den Tagespflegen waren spärlich und dann kam die Pandemie. Hygienevorschriften und Abstandsregeln hatten die Tagespflegen dazu veranlasst, die Platzzahlen während der Pandemie drastisch zu reduzieren, so dass die tatsächlich zur Verfügung stehenden Plätze vorübergehend um einiges unter denen lagen, die laut Versorgungsvertrag vorhanden waren. Abfragen waren in dieser Zeit nicht möglich, da die Träger alle Kräfte dazu verwenden mussten, den Betrieb unter den jeweiligen, manchmal täglich wechselnden Vorgaben und Rahmenbedingungen am Laufen zu halten.

Für die Tagespflege hatte Dr. Messmer eine untere Variante von 130 Plätzen und eine obere Variante von 180 Plätzen als Bedarf für den Enzkreis berechnet. Allerdings sind diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen, da die Datengrundlagen aus der Zeit vor den großen Veränderungen in der Pflegeversicherung stammen. Aktuellere Daten standen zum Berechnungszeitraum nicht zur Verfügung.

Nach diesen Bedarfszahlen liegt der Enzkreis in der Tagespflege mit aktuell zirka 390 Plätzen in 22 Einrichtungen weit über dem Bedarf. 4 weitere Einrichtungen mit zirka 54-60 Plätzen sind in Planung. Betrachtet man jedoch die allgemeinen Orientierungswerte des KVJS bis 2030, so zeigt sich deutlich die große Planungsunsicherheit in diesem Bereich: die Werte reichen von 415 – 425 als Mindestbedarf, bis hin zu 1.000-1.019 Plätzen als Maximalbedarf, je nach Szenario. Das Nutzungsverhalten im Bereich Tagespflege hängt sehr stark von politischen Entscheidungen ab. Der in der Pflegereform festgelegte Beschluss, dass die Inanspruchnahme von Tagespflegeleistungen sich nicht mehr auf die Höhe der Sachleistungskosten auswirkt, führte zu einem rapiden Anstieg der Nachfrage. Würde dieser Beschluss wieder zurückgenommen, würde sich das wahrscheinlich auch als Rückgang in der Nachfrage zeigen. Deshalb ist der Ausbau mit einer gewissen Vorsicht zu planen. Realistisch ist wohl– auch nach Aussage des KVJS – einen Mittelwert zu bilden.

Zum Thema Nachtpflege: Diese war vor Jahren in einer Einrichtung im Enzkreis angeboten, jedoch nicht nachgefragt worden. Zielgruppe dieses Angebotes waren überwiegend Menschen mit einer Demenz, mit gestörtem Tag-Nacht-Rhythmus. Man gedachte, die Angehörigen damit zu entlasten. Allerdings stellt der Wechsel in diese Versorgungsform für einen demenzkranken Menschen einen derart großen Einschnitt dar, dass gut vorstellbar ist, dass sich dadurch die Symptome eher verschlechtern, was dann auch die Pflege tagsüber erschweren könnte. Dies ist lediglich ein Erklärungsversuch, warum die Nachtpflege von der Bevölkerung nicht in Anspruch genommen wurde.

Ergänzend dazu Zahlen zu der Versorgungsform „trägergestützte ambulant betreute Wohngemeinschaft nach dem Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz BW:

Zurzeit gibt es im Enzkreis 7 solcher WGs mit insgesamt 45 Plätzen. Werden alle Planungen realisiert, so werden in naher Zukunft 50 bis 54 weitere Plätze in 7 WGs dazukommen. Diese Plätze können die stationäre Pflege entlasten, da sie einen ähnlichen umfassenden Versorgungsumfang bieten.

Die Pflege in der Familie ist immer noch die zahlenmäßig häufigste Form, wobei die Belastung der Pflegenden häufig am Limit oder schon darüber hinaus ist. Die Stärkung des ambulanten Settings wollen wir durch möglichst viele kombinierbare Bausteine erreichen. Beispiele hierfür sind:

Unterstützungsangebote wie anerkannte Service- und haushaltsnahe Dienstleistungen, Betreuungsleistungen in Gruppen oder im häuslichen Bereich, Fahr- und Begleitdienste, etc.

Des Weiteren gibt es neben den ambulanten Pflegediensten Essensdienste, Besuchsdienste, Seniorennetzwerke etc. die die Pflege in der Familie unterstützen.

Unverzichtbar sind dabei die Beratungsangebote der Beratungsstellen für Hilfen im Alter, des Demenzzentrums des Pflegestützpunktes und der Wohnberatung. Diese tragen enorm dazu bei, dass Menschen Informationen über die Unterstützungsmöglichkeiten und einen Zugang zu den für sie sinnvollen Angeboten bekommen. Das erhöht die Chancen für die Bürger*innen im Enzkreis auch mit Unterstützungs- oder Pflegebedarf möglichst lange im gewohnten häuslichen Umfeld leben zu können und es entlastet pflegende Angehörige. Das Demenz-Zentrum bietet zudem in regelmäßigen Abständen Schulungen, sowohl für pflegende Angehörige als auch für Dienstleister und sonstige Interessierte an.

Last but not least seien hier nochmal die Tagespflege und die Kurzzeitpflege genannt, die den Angehörigen persönliche Freiräume in der Pflegezeit verschaffen können.

Der Enzkreis hat die Weiterentwicklung dieser wichtigen Bausteine im ambulanten Setting stets im Fokus.

  1. Zu welchen Teilen geschieht aktuell Bedarfsabdeckung für den Enzkreis in Pforzheim, möglicherweise auch umgekehrt?

Die Sozialplanungen der Stadt Pforzheim und des Enzkreises sind in engem Austausch miteinander. Die Nutzung der Angebote in der stationären Langzeitpflege, der Kurzzeitpflege und der Tagespflege sollen zukünftig in jährlichen Abfragen ermittelt werden. Dabei wird auch erfasst werden, wenn Kreis-Stadt-überschneidende Nutzungen stattfinden. Inhalt und Zeitpunkt der Abfragen werden zwischen Enzkreis und Stadt Pforzheim abgestimmt.

Im Bereich Tagespflege und betreutes Wohnen werden verschiedene Gremiensitzungen gemeinsam organisiert.

Auch die Anerkennungsstellen für die Unterstützungsangebote im Alter von Stadt und Enzkreis arbeiten eng zusammen, damit die Verfahren möglichst transparent und für die Antragsteller unkompliziert sind. Beratungsgespräche für kreisübergreifende Anbieter werden bei Bedarf gemeinsam geführt.

  1. Das eine sind die Räume und Geräte, das andere sind die Menschen - hier besonders auch der Nachwuchs in der Pflege. Wie hat sich die Zahl der Ausbildungsplätze erhöht? Wie ist die Nachfrage? Unternehmen Stadt und Kreis flankierende Maßnahmen, um für den Beruf zu werben?

Das Thema Fachkräftenachwuchs ist im Landratsamt bei der Stabstelle Wirtschaftsförderung angesiedelt. Die angespannte Personalsituation im Pflegebereich ist dort auch bekannt. Fachkräftemangel ist jedoch nicht nur ein Thema der Pflegebranche. Der Enzkreis unterstützt bei der Findung geeigneter Nachwuchskräfte durch unterschiedliche Maßnahmen (Azubi-Speed-Dating, Aus- und Weiterbildungsbörsen, und andere Aktionen). Er ist zudem aktives Mitglied in der Fachkräfteallianz der WFG Nordschwarzwald. Weitere Infos dazu auf der Homepage des Enzkreises (Link: https://www.enzkreis.de/Landratsamt/%C3%84mter-Dezernate/Stabsstellen/Wirtschaftsf%C3%B6rderung/Ausbildung-Fachkr%C3%A4fte/)

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