Bürgermeister und Kreisräte sehen Ermessensentscheidungen als möglich an – Stärker an der Meinungsbildung in den Kommunen beteiligen

Enzkreis. In einer Neun-Punkte-Anfrage nahm die CDU-Kreistagsfraktion das von Kommunen wegen seiner Zurückhaltung bei der Anordnung von 30 km/h-Limits auf Ortsdurchfahrten als restriktiv kritisierte Straßenverkehrs- und Ordnungsamt des Enzkreises ins Visier. Landrat Bastian Rosenau sah darin in seinem Antwortschreiben an den Fraktionsvorsitzenden Günter Bächle (Mühlacker) das Bemühen der Union, Grundlagen und Praxis von Geschwindigkeitsbeschränkungen zu beleuchten. Allerdings handle es sich hier um eine staatliche Aufgabe des Landratsamts als untere Verwaltungsbehörde, das der Kontrolle durch das Land unterliege, nicht der des Kreistags. Dennoch beantworte er die Fragen.

„Das Ausklammern des Kreistages geht an den Realitäten vorbei“, sagte dazu Fraktionschef Günter Bächle, der das Land aufforderte, die Kontrollmöglichkeiten der Kreisräte auch auf den staatlichen Bereich auszuweiten. Denn die Menschen wählten den Kreistag und empfänden ihn als ihre Vertretung bei der „Einheit Landkreis“. Gerade vom Verkehrsamt unerfüllte Wünsche nach Tempo 30 zeigten, wie sehr Einwohner auf ihre Kreistagsabgeordneten setzen. Er verwies auf Forderungen unter anderem aus Sternenfels, Zaisersweiher, Dürrn und Kämpfelbach.

Die CDU-Fraktion knüpfte an die Antwort der Kreisverwaltung auf ihre Anfrage vom Juli 2017 an und forschte nach seitdem erfolgten Veränderungen. Dazu Landrat Bastian Rosenau in seiner Antwort:
„Die grundlegenden Voraussetzungen der Straßenverkehrsordnung für die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen haben sich seither nicht geändert.“ Allerdings räume ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom Juli 2018 den Behörden einen größeren Ermessensspielraum bei entsprechenden Entscheidungen aus Lärmschutzgründen ein, der seither auch berücksichtigt werde. Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg gebe im sogenannten Kooperationserlass die Handlungsspielräume, die Verfahrensgrundlagen und den Ermessensrahmen bei kommunalen Lärmaktionsplanungen vor. Der letzte dieser Erlasse vom 8. Februar 2023 lasse Fragen offen, um deren Klärung die Fachaufsichtsbehörden bereits gebeten worden sei.

Seit Mitte 2017 stimmte das Straßenverkehrs- und Ordnungsamt des Enzkreises laut Landrat 36 Anträgen von Kommunen auf Tempo 30 zu. 2017 hätten 13 solcher Anordnungen bestanden.
Entscheidungen über verkehrsrechtliche Anordnungen würden durch die untere Straßenverkehrsbehörde getroffen, welche der Fachaufsicht der höheren und obersten Straßenverkehrsbehörde unterstehe, beziehungsweise hausintern der Leitung des Landratsamts.
Die Straßenverkehrsbehörde des Enzkreises sei für verkehrsrechtliche Entscheidungen im gesamten Straßennetz des Enzkreises zuständig, außer der Verwaltungsgemeinschaft Mühlacker, zu der auch Ötisheim gehört.

Verwunderlich findet der Fraktionsvorsitzende, wie der Landrat die Frage nach den abgelehnten Anträgen von Kommunen auf Tempo 30 beantwortet. Förmliche Ablehnungen seien bisher nicht erfolgt, jedoch könnten Anordnungen auf solche Tempo-Limits nur erfolgen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Dies gelte auch in Fällen der kommunalen Lärmaktionsplanung. Allerdings räumte Rosenau im gleichen Atemzug ein, ablehnender Entscheidungen seien getroffen worden, wenn auch „äußerst selten“. Die Wahrnehmung draußen in den Gemeinden sei eine völlig andere, dort komme die Ablehnung an, so Bächle.

„Wie ernst nimmt die Amtsleitung die Anregungen und Vorschläge, die Bürgerinnen und Bürger entwickeln?“ Dazu der Landrat: Straßenverkehrs- und Ordnungsamt sowie das Amt für nachhaltige Mobilität würden mit den Gemeinden des Enzkreises in einem stetigen, vertrauensvollen und partnerschaftlichen Austausch zusammenarbeiten. Unter anderem würden alle Themen in den regelmäßigen Verkehrsschauen ausführlich und in einer konstruktiven, wertschätzenden Atmosphäre behandelt, wenngleich nicht alle behandelten Vorschläge oder Ideen umgesetzt werden könnten.

Die beiden Bürgermeister und Kreisräte der CDU, Thomas Zeilmeier (Ispringen) und Martin Steiner (Birkenfeld) führten bereits vor einigen Wochen, teilt die CDU-Fraktion weiter mit, zusammen mit SPD-Kreisrat und Bürgermeister Helge Viehweg (Straubenhardt) das direkte Gespräch mit dem zuständigen Dezernenten Holger Nickel und Amtsleiter Oliver Müller. Ziel sei gewesen, so Steiner, die fachlich und politisch zuständigen Akteure im Landratsamt dazu zu bewegen, die rechtlichen Vorgaben, die mit der Neufassung des Kooperationserlass im Rahmen der Ermessensentscheidungen möglich seien, zu Gunsten von mehr Tempo-30 Zonen-auszulegen. „Dies wäre ein klares Signal für mehr innerörtlichen Lärmschutz.“ Aus Sicht der drei Kreisräte und Bürgermeister sind diese Ermessensentscheidungen möglich und werden von den jeweiligen Gemeinderatsgremien auch eindeutig unterstützt. „Jetzt ist das Verkehrsamt am Zug dies auch anzuordnen!“

Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften mit mehr als 5000 Einwohnern können sich, unter bestimmten Bedingungen, die Zuständigkeit der unteren Straßenverkehrsbehörde übertragen lassen, so die CDU-Kreistagsfraktion. Der Landrat nannte die Voraussetzungen:

• Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften mit mehr als 5 000 Einwohnern.

• ausreichend geeigneten Fachkräfte,

• auf Antrag, über den das zuständige Regierungspräsidium entscheidet.

Info:

in der jüngsten Enzkreis-Bürgermeisterrunde haben nahezu alle Bürgermeister sich vehement beim Landratsamt Enzkreis für Tempo 30 eingesetzt, erfuhr die CDU-Kreistagsfraktion. Sie nahmen teilweise Kontakt auf mit den Vorsitzenden der Landtagsfraktionen von Grünen und CDU, Andreas Schwarz und Manuel Hagel. Sie sollen über die politische Schiene im Ministerium auf Besserung beim Landratsamt Enzkreis hinwirken. Das Landratsamt Enzkreis sei bereits in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe, ob der Enzkreis seine restriktive Handhabung ändern muss oder nicht. (bä)

« Deutschlandticket – von Datenschutz bis zu neuer Zersplitterung Stadt und Kreis gehen beim Land leer aus »

Jetzt teilen: