Fraktionsvorsitzenden der CDU im Gemeinderat und im Kreistag, Dr. Marianne Engeser (Pforzheim) und Günter Bächle (Mühlacker) beim Caritasverband im Pforzheimer Blumenhof

Pforzheim/Enzkreis. Wie hoch die finanziellen Folgen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) für Stadt Pforzheim und Enzkreis tatsächlich sein werden, stehe erst dann fest, wenn für alle behinderten Menschen der Bedarf an Hilfeleistungen erhoben und die Maßnahmen zur Deckung des Bedarfes beschlossen sind. Darauf verweisen die CDU-Fraktionen im Gemeinderat von Pforzheim und im Kreistag des Enzkreises. Dieses Verfahren stehe in Stadt und Kreis erst am Anfang und sei nach Angaben des Caritasverbandes lange nicht abgeschlossen. Deshalb sei so lange Zurückhaltung in der Bewertung der Auswirkungen auf die kommunalen Kassen zu empfehlen.

Dieses Fazit ziehen die beiden Fraktionsvorsitzenden der CDU im Gemeinderat und im Kreistag, Dr. Marianne Engeser (Pforzheim) und Günter Bächle (Mühlacker), nach ihrem Besuch beim Caritasverband im Pforzheimer Blumenhof. Die Umsetzung des BTHG sei eine große Aufgabe für alle Beteiligten, verbunden mit viel Aufwand, bürokratischen und finanziellen Hürden. Bei aller Herausforderung, die die Umsetzung des BTHG für alle Seiten darstelle, dürfe jedoch nie aus dem Blick verloren werden, worum es gehe: Die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung zu verbessern und die geltende UN-Behindertenrechtskonvention verbindlich in der Bundesrepublik umzusetzen und so einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg hin zu einer inklusiven Gesellschaft zu schaffen.

Natürlich würden die Kosten steigen, so Caritaschef Frank-Josef Lemke. Das liege allerdings auch daran, dass die Behindertenhilfe seit über 20 Jahren keine Personalschlüssel mehr habe und sich dadurch die tatsächlichen Kostensteigerungen in all den Jahren nicht in voller Höhe in der Erhöhung von Pflegesätzen niedergeschlagen habe. Allein wenn die im Jahr 1987 von der damaligen Pflegesatzkommission beschlossenen Personalschlüssel heute Anwendung finden würden, müssten die Pflegesätze um zwischen 22 Prozent und 28 Prozent angehoben werden. Mit dem BTHG würden wieder Personalschlüssel eingeführt, was zu einer höheren Transparenz führen werde, aber auch dazu, das entstandene Delta auszugleichen. Jedoch die Höhe stehe noch nicht annähernd fest, weshalb er sich darüber wundere, dass vom Enzkreis schon mit bis zu zweistelligen Millionenbeträgen gerechnet werde.

Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können, zitieren die beiden Fraktionen in einer Pressemitteilung den Caritas-Vorstandsvorsitzenden. Die Begriffe „ermöglichen“, „fördern“ und „befähigen“ würden dabei die neue Zielrichtung vorgeben

Zur Umsetzung des BTHG sei eine Änderung der Bedarfsermittlung zwingend nötig. Für Baden-Württemberg werde dazu in einem breit angelegten konsensorientierten Beteiligungsprozess zwischen Leistungsträgern, Leistungserbringern und Leistungsberechtigten ein einheitliches Instrument, das BEI-BW (Bedarfserhebungsinstrument-Baden-Württemberg) entwickelt.
Mit diesem Instrument müsse in einem detaillierten Verfahren der Teilhabebedarf möglichst umfassend und konkret ermittelt werden.

Kreisrat Bächle machte in dem Gespräch deutlich, dass es der CDU-Kreistagsfraktion um eines geht: „Wer bestellt, hier der Bund, muss auch bezahlen – und zwar den vollen, nicht gedeckten Aufwand.“ Hier müsse das Konnexitätsprinzip angewendet werden. Keineswegs werde der gesetzliche Anspruch des einzelnen Menschen in Frage gestellt.

Inzwischen setzten die beiden Fraktionsvorsitzenden die bei dem Gespräch mit der Spitze des Caritasverbandes angesprochenen offenen Punkte in eine zwar getrennte, inhaltlich gleiche Anfrage an Stadt- und Kreisverwaltung um.

Der Fragekatalog der CDU besteht aus sechs Punkten:

  1. Wird das BEI-BW bei der Bedarfsermittlung von individuellen Leistungen bei Menschen mit Behinderung bereits in vollem Umfang angewendet? Wenn nein, ab wann ist damit zu rechnen?

  2. Ist bei der Erfassung der individuellen Bedarfsermittlung von wesentlichen Mehrbedarfen auszugehen? Wenn ja, kann die Verwaltung diese bereits quantifizieren?

  3. Das Land Baden-Württemberg finanziert seit 2019 zusätzliche Personalstellen in der öffentlichen Verwaltung, um den BTHG-Umstellungsprozess umzusetzen. Wie hoch fallen diese finanziellen Unterstützungsleistungen beim Enzkreis aus? Wie viele zusätzliche Personalstellen wurden bis heute eingerichtet? Wie viele werden noch eingerichtet? Wie hoch sind die Zuschüsse für den BTHG-Umstellungsprozess für die Leistungserbringer? Wie viele zusätzliche Personalstellen wurden dort geschaffen, um den BTHG-Umstellungsprozess zu meistern?

  4. Welche strategischen Ziele verfolgt die öffentliche Verwaltung, um dem Rechtsanspruch zu genügen?

  5. Welchen Erkenntnisstand hat aktuell die öffentliche Verwaltung hinsichtlich der BTHG-Umstellungskosten (welche finanziellen Mittel werden noch von Bund bzw. Welchen Erkenntnisstand hat aktuell die öffentliche Verwaltung hinsichtlich der BTHG-Umstellungskosten (welche finanziellen Mittel werden noch von Bund bzw. Land fließen)?

  6. Wie verlaufen die Gespräche mit den Leistungserbringern? Sichert die öffentliche Verwaltung den Gestaltungsanspruch und das Recht der Leistungserbringer nach der Auswahl eines Instrumentes zur Umsetzung des BTHG zu?

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