Aufgabenkritik steht genauso aus, wie Prüfung einer eventuelle Kompetenzverlagerung auf Gemeinden – Wie sich die Übernahme der Zuständigkeit der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen von Landesebene auf die Stadt- und Landkreise auswirkte – Jetzt wieder die alten Klagelieder – CDU: Reform nicht konsequent umgesetzt

Enzkreis. Lassen sich durch die Verlagerung von Kompetenzen auf untere Ebenen Steuergelder sparen oder nicht? Die CDU-Kreistagsfraktion griff diesen Punkt auf und ihr Vorsitzender Günter Bächle (Mühlacker) arbeitete dazu die Jahre zurückliegenden Beschlüssen zur Übernahme der Zuständigkeit der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen von Landesebene auf die Stadt- und Landkreise auf. Sein Fazit: „Nun ertönen wieder die alten Klagelieder über enorm steigende Sozialkosten im Haushalt des Enzkreises wie vor der Verlagerung von Zuständigkeit.“

Diese Verlagerung von Landes- auf Kreisebene sei 2004 von den Landräten den Kreisräten schmackhaft gemacht worden mit der Ankündigung, die Entscheidungen würden dann vor Ort durch Kreistag und -verwaltung getroffen, die Gremien hätten eine wirksamere Steuerungsmöglichkeit auch hinsichtlich der Kosten. Doch letztlich habe es an der Konsequenz gefehlt. Und in den Jahren ohne Haushaltsprobleme habe auch kaum jemand danach gefragt.

„Wenn wir die aktuelle Diskussion verfolgen, entsteht der Eindruck, als seien wir bei der Eingliederungshilfe ganz und gar nicht in der Steuerungsposition“, heißt es in einer Mitteilung. Es entstünden Steigerungsraten bei den Transferleistungen im Sozialbereich, die Sorgen bereiten würden – trotz allgemein guter wirtschaftlicher Lage. Was sei von den Vorteilen der Verlagerung der Zuständigkeiten von Land (Sonderbehörden) und Landeswohlfahrtsverbänden im Jahr 2005 auf die Landkreise geblieben? Bächle: “Legte sich der Hebel selbst um oder war er trotz Verlagerung in der alten Position geblieben und niemand hat es gemerkt?“

Die Diskussionen im Kreistag zum Haushaltsplan 2023 um die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und die Finanzierbarkeit der Hilfen über 2023 hinaus seien notwendig, so die Fraktion. Genauso wie die Frage der Beteiligung des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales (KVJS) an Pflegesatz-Verhandlungen mit Einrichtungsträgern im Auftrag und an Stelle des Enzkreises, wobei die CDU auf die Schreiben des Caritasverbandes Pforzheim an die Fraktionen des Kreistags verweist, der sich wünscht, dass die Kreisverwaltung statt des KVJS selbst am Verhandlungstisch sitzt und der Kommunalverband künftig maximal eine beratende Funktion übernimmt.

lm Zusammenhang mit der Auflösung der beiden Landeswohlfahrtsverbände habe der Enzkreis seinerzeit eine stärkere finanzielle Beteiligung des Landes an den steigenden Kosten der Eingliederungshilfe als unverzichtbar bezeichnet. Der Soziallastenausgleich sei so zu regeln, dass ein verstärkter finanzieller Anreiz zur Schaffung kostengünstiger Angebote bestehe, habe es damals geheißen. Gleichzeitig sei für die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Eingliederungshilfe ein bundesfinanziertes Leistungsgesetz gefordert worden, und somit eine andere Grundlage zur Finanzierung. Dies gebe es seit 2016 in Form des Bundesteilhabegesetzes (BTHG), durch das nun – entgegen der Erwartungen - die Sozialkosten für den Enzkreis mehr als erwartet steigen würden.

Zudem sei grundsätzlich auch eine erweiterte Aufgabenübertragung vom Landratsamt auf Gemeinden als möglich bezeichnet worden – ein Thema, das später nie aufgegriffen worden sei. Der Kreistag verlangte, so Günter Bächle im Rückblick auf Entschließungen des Gremiums 2004 und 2007 zudem grundsätzlich eine umfassende Aufgabenkritik, die unmittelbar nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahren nachgeholt werden müsse. Mit der Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände und Herabzonung der sachlichen Zuständigkeit für die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen auf die örtlichen Sozialhilfeträger hätten seinerzeit die Richtlinien der Landeswohlfahrtsverbände ihre Gültigkeit verloren. Dann müsse auch vor Ort und nicht beim KVJS entschieden werden.

Positiv sei, so Bächle, im Kreistag anno 2007 auch die Zwischenbilanz der Reform ausgefallen. Er zitiert aus der seinerzeitigen Vorlage der Kreisverwaltung: „Die Verlagerung der Verantwortung für soziale Leistungen, insbesondere der Eingliederungshilfe, erleichtert die Entscheidungsabläufe, ermöglicht passgenaue Hilfen und dämpft damit die Kostensteigerung erheblich.“ Und weiter: „Auch die Verlagerung der sozialen Aufgabenfelder auf die Landkreise hat zu einem qualitativ besseren Angebot geführt. Mit individuellen Hilfsangeboten, insbesondere für behinderte Menschen, gelingt es immer mehr, den Bedarf passgenau zu decken und gleichzeitig den Kostenanstieg deutlich zu verringern.“ Der Fraktionsvorsitzende: „Hat sich das geändert und keiner hat es gemerkt?“ Gefehlt habe eine dauerhafte Kontrolle der Auswirkungen der Kompetenzverlagerungen.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende plädiert dafür, bei der aktuellen Debatte weiter zurückzugehen als nur bis zur Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes 2016. Nach seiner Erkenntnis fehlt bis heute die 2007 vom Kreistag nochmals beim Land eingeforderte Aufgabenkritik – eine Forderung, die Landrat Rosenau und der Sprecher der Bürgermeister im Landkreis, Michael Schmidt (Neulingen) kürzlich zurecht erneuert hätten. Habe sich bei den Steuerungsmöglichkeiten seit 2005/2007 zum Nachteil des Haushaltes etwas verschlechtert? Wie veränderte sich der Finanzierungsbeitrag des Landes bei der Eingliederungshilfe? Gibt es den damals geforderten verstärkten finanziellen Anreiz zur Schaffung kostengünstiger Angebote? Diese Entwicklung müsse bei der aktuellen Suche nach Möglichkeiten der Etatentlastung und der Einhaltung des Konnexitätsprinzips einbezogen werden.

Von einem „interessanten Rückblick auf die Entwicklungen der Eingliederungshilfe auf Basis verschiedener Meilensteine im Kreistag“ schreibt Rosenau laut Mitteilung der CDU-Fraktion in seiner Antwort. Er dankte insbesondere für den Vorschlag zur Etablierung eines eigenen „Pflegesatzverhandlers“. Die Vorteilhaftigkeit einer solchen Position, wie sie beispielsweise im Landkreis Karlsruhe bestehe, der gleichzeitig auch für den Landkreis Konstanz verhandle, könne er gut nachvollziehen. „Tatsächlich sind wir intern dabei zu prüfen, wie dies für den Enzkreis mit der Stadt Pforzheim und dem Landkreis Calw darstellbar ist. Ihre Anregung für ein solch regionales Kompetenzzentrum werde ich mit in unsere Überlegungen hineinnehmen.“ Ihm sei es wichtig, hier mit möglichst vielen Kompetenzen im Gespräch zu sein.

« Fragekatalog der CDU-Fraktionen im Kreistag des Enzkreises und Gemeinderat der Stadt Pforzheim CDU-Kreistagsfraktion im Gespräch mit Michael Maurer, neuer Bürgermeister von Mönsheim »

Jetzt teilen: