„Die Zukunft soll man nicht vorausschauen wollen, sondern möglich machen.“ (Antoine de Saint-Exupéry, französischer Schriftsteller)

Sehr geehrter Landrat Rosenau,
werte Dezernentinnen und Dezernenten,
werte Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreisverwaltung,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

heute entscheiden wir über den Haushalt. Wir entscheiden über die künftigen Aufwendungen und Erträge. Wir entscheiden über die künftigen Einzahlungen und Auszahlungen. Damit entscheiden wir über die Zukunft des Enzkreises. Es war schon immer schwierig, in die Zukunft zu schauen. In diesen Zeiten haben die Variablen eine besonders große Varianz, also eine große Spannweite. Sicherlich sind im Haushalt noch Unsicherheiten enthalten, allerdings sowohl beim Ertrag als auch beim Aufwand, also in beide Richtungen.

Der Blick in den Haushalt spiegelt die Realität, genauer gesagt die Realität, die wir im nächsten Jahr, im Jahr 2023 erwarten. Dabei fällt sofort auf, dass der Ergebnishaushalt mit einem negativen veranschlagten Gesamtergebnis abschließt. Ich möchte diesen Betrag benennen, was er tatsächlich ist, ein Verlust aus dem laufenden Betrieb.

Bereits die beiden vorhergehenden Planjahre wurden ebenfalls mit einem negativen veranschlagten Gesamtergebnis geplant, allerdings mit einem deutlich geringeren Minus. Der Verlauf ist ein deutliches Indiz, für die Berechtigung des Signals des Landkreises und der Kommunen, „kein Weiter so“ – die Belastungsgrenze ist erreicht!

Die große Anzahl an Aufgaben, Standards und Bürokratieanforderungen können in Summe nicht mehr erfüllt werden, insbesondere aufgrund einer erheblichen Überregulierung durch immer höhere Standards und neue Rechtsansprüche.
Demokratie lebt nicht von Rechtsansprüchen, Demokratie lebt von der aktiven Mitwirkung.

Um es ganz deutlich anzusprechen: Auch wenn jeder Rechtsspruch für sich genommen begründbar, nachvollziehbar und zumindest zu diskutieren ist. Wenn diese Rechtsansprüche aber in Summe nicht erfüllbar; einfach insgesamt nicht leistbar sind, dann sind Grenzen erreicht. Insbesondere die immer wieder neuen Rechtsansprüche auf Leistungen, treiben die Aufwendungen in die Höhe, sowohl den Sach- als auch den Personalaufwand. Nennen möchte ich hier beispielhaft die Neuregelungen des Bundesteilhabegesetzes und der SGB II-Leistungen, die für alle Beteiligten problematisch sind. Hier ist primär der Bund als Gesetzgeber gefordert, die durch das Gesetz entstandenen Aufwendungen den Land- und Stadtkreisen zu 100 Prozent zu ersetzen. Das Konnexitätsprinzip muss 1:1 eingehalten werden.

Ein weiteres Beispiel ist die im Januar in Kraft tretende Wohngeldreform, die voraussichtlich zu einer Verdreifachung der wohngeldberechtigten Haushalte führen wird. Wer soll die Berechtigten beraten? Wer soll die Berechnung und Auszahlung der Leistungen bearbeiten? Der Personalrat weist im Schreiben vom 23.11.2022 ebenfalls darauf hin, dass mit den beantragten Stellen im Stellenplan nur die Spitze des Personalmehrbedarfs abgemildert wird. Vermehrter Aufgabenzuwachs und steigende Fallzahlen würden ebenfalls eine entsprechende Abbildung erfordern. Nennen möchte ich in diesem Zusammenhang auch den damit verbundenen Antrag des Personalrats auf Schaffung einer Stelle in Folge der Tarifeinigung im Sozial- und Erziehungsdienst, der heute auf der Tagesordnung steht. Einerseits stellt sich die Frage, ob die Tarifparteien überhaupt beabsichtigten, in den berechtigen Personenkreis alle Verwaltungsbereiche einzubeziehen. Andererseits stellt sich die Frage, wie mit einer zusätzlichen Stelle die gewünschte Kompensation überhaupt erreicht werden kann. Jedenfalls besteht die große Gefahr, dass eine dadurch vorgenommene Ungleichbehandlung zu Demotivation in anderen Bereichen führen wird, die nicht davon profitieren. Die Mehrarbeitsbelastungen haben in diesen Krisenzeiten für alle Beschäftigen im öffentlichen Dienst zugenommen. Das „9-Euro-Ticket“ war ein großer Erfolg. In einer mobilen Gesellschaft eine wesentliche Basis für eine ökonomische und eine ökologische Mobilität. Mit dem „49-Euro-Ticket“ steht die Nachfolge in den Startlöchern. Die Stadt- und Landkreise als Aufgabeträger brauchen klare Aussagen zur Übernahme der Mehrkosten, die durch dieses Modell entstehen; eine Einnahmegarantie – Ganz einfach – Konnexität! Ergänzend müssen inhaltliche Fragestellungen geklärt werden; in Bezug auf Fahrplanausweitungen und Verbundstrukturen. Ansonsten könnte es mal wieder heißen: gut gedacht – schlecht gemacht!

Meine Damen und Herren, wir leben aktuell in schwierigen Zeiten, man könnte auch sagen in besonders herausfordernden Zeiten. Es gibt derzeit mehrere Krisen gleichzeitig zu bewältigen. Mit der Energiekrise kam seit Anfang des Jahres in Folge des Angriffskrieges Russlands auf sein Nachbarland Ukraine eine weitere Mammutaufgabe auf uns zu. Wir erleben eine Inflation in einer über Jahrzehnte ungekannten Höhe. Viele Geflüchtete kommen nach Deutschland, wobei die Beschaffung von Wohnraum eines der drängenden Probleme ist. Die weitere Entwicklung der Pandemie beinhaltet ebenfalls noch viele Unwägbarkeiten. Man könnte sagen, die Krise hat sich zum Dauerzustand entwickelt.

Diese großen Herausforderungen können wir nicht mit immer mehr Geld und immer
mehr Personal bewältigen. Diese Vorgehensweise aus einer Zeit „vor der
Zeitenwende“ ist kein probates Mittel mehr. Die finanziellen Mittel sind begrenzt und
werden durch externe Faktoren, die wir nicht beeinflussen können, sehr stark
strapaziert. Rohstoffe und Energiekosten vollziehen ungeahnte Preissprünge. In fast
allen Bereichen herrscht eine Mangel an Arbeitskräften, so dass wir inzwischen nicht
mehr von einem Fachkräftemangel, sondern von einem Kräftemangel sprechen
sollten. Wie geht die Entwicklung weiterer, wenn in den nächsten 10 bis 15 Jahren
die sog. Babyboomer in Rente gehen?

Diese Herausforderungen zu meistern, kann nur eine Gemeinschaftsaufgabe von
Politik, Verwaltung und Bürgern sein. Die beiden wichtigsten Aspekte sind sicherlich
Digitalisierung und Entbürokratisierung. Um die Prozesse wieder handelbar zu
gestalten, braucht es digitale Unterstützung und vor allem eine Vereinfachung der
rechtlichen Rahmenbedingungen. Dadurch könnten Verwaltungsprozesse
vereinfacht und beschleunigt werden. Hier sind insbesondere die politischen
Entscheidungsträger in Bund und Land gefordert.

Daran knüpft auch der offene Brief des Landrats und der Bürgermeisterkolleg*innen
an Bund und Land an. Dass es keine „Weiter so“ geben darf, zeigt unsere
Haushaltslage eindrücklich. Wenn keine Änderungen beschlossen werden, wird der
Verlustvortrag in Folgejahren nicht ausgeglichen werden können, was gesetzlich
gefordert wird und rudimentär wäre. Vielmehr muss erwartet werden, dass Defizite in
künftigen Jahren den Verlust weiter erhöhen werden. Der Verlustvortrag im Planjahr
2023 hat annähernd die Höhe der Erhöhung der Kreisumlage. Jedenfalls im
eingebrachten Entwurf. Das darf als Zeichen der kommunalen Familie gesehen
werden, die Belastungen möglichst gleichmäßig zu verteilen.

Es wird auch weiterhin von größter Bedeutung sein, dass auf kommunaler Ebene die
Aufgaben erfüllt werden. Ich möchte hier das aktuelle „Lieblingszitat“ des Präsidenten
des Gemeindetags anführen, das er in diesem Zusammenhang bereits mehrfach
erwähnt hat: „Die Gemeinden sind der eigentliche Ort der Wahrheit, weil sie der Ort
der Wirklichkeit sind.“Der Hinweis aus der kommunalen Familie, dass hier in Summe
der Aufgaben eine Grenze zumindest erreicht ist, sollten die politisch
Verantwortlichen in Bund und Land sehr ernst nehmen.

Wir erwarten deutliche Signale, insbesondere durch Taten, die zu spürbaren
Verbesserungen führen. In Anlehnung an mein Eingangszitat dürfen Bund und Land
den Ruf aus der kommunalen Familie so verstehen, dass Änderungen der
Regelungen notwendig sind, um Zukunft zu ermöglichen. Wir brauchen eine
Fokussierung auf das Wesentliche, eine Schwerpunktsetzung auf die
Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.

An dieser Stelle möchte ich beispielhaft an unseren Antrag für ein umfassendes
Stadtbahn-Konzept für den Enzkreis und die Stadt Pforzheim im Schulterschluss mit
der CDU-Stadtratsfraktion und erinnern, sowie unseren Antrag zur Prüfung, ob der
Enzkreis selbst oder andere auf seine Anregung hin das Programm des Bundes
„Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“ nutzen kann. Anstrengungen zur
regenerativen Energiegewinnung müssen vorangetrieben werden. Zuletzt an
unseren Antrag vom 11. Marz zum Bau von öffentlich gefördertem Wohnen im
Enzkreis.

Wir müssen uns um die Zukunftsthemen kümmern, um die Herausforderungen der
Zukunft zu bewältigen. Gerade im Hinblick auf die vor uns liegenden großen
Aufgaben sind Bund und Land gefordert, die Rahmenbedingungen zu verändern,
damit Kontinuität wieder ein erreichbares Ziel ist.

Meine Damen und Herren,
alle Jahre wieder, kommt nicht nur der Weihnachtsmann, sondern auch in letzter
Minute Anträge einzelner Fraktionen zum Haushalt. Wer heute Anträge stellt, hätte
früher aufstehen sollen. Nach der Einbringung des Haushalts am 07.11.2022 wurde
das Zahlenwerk im Jugendhilfeausschuss, im Umwelt- und Verkehrsausschuss, im
Sozial- und Kulturausschuss und zuletzt im Verwaltungs- und Wirtschaftsausschuss
ausführlich vorberaten. Es gab also genügend Zeit für Anträge. Wer erst bei der
Verabschiedung des Haushalts aufwacht und Anträge stellt, kann nicht ernsthaft
erwarten, dass sie Berücksichtigung finden. In den Ausschüssen hätte man sich
inhaltlich mit der jeweiligen Thematik auseinandersetzen können. Einer inhaltlichen
Diskussion über die angeführten Ansatzpunkte zur Reduzierung der Kreisumlage
verschließen wir uns nicht! Es muss allerdings diskutiert werden, welche
Auswirkungen Entscheidungen auf den Out-put haben. Wer nur auf die
augenscheinliche Senkung von Aufwendungen schaut, der springt zu kurz, viel zur
kurz.

Wer die Umsetzung der eigenen Vorstellungen in Bezug auf Maßnahmen zur
Klimaneutralität erreichen will, muss auch bereit sein, Vorschläge einzubringen, wo
dafür an anderer Stelle Leistungen gekürzt oder gestrichen und somit Aufgaben nicht
mehr erfüllt werden. Haushaltsverbesserungen oder vermeintliche
Minderaufwendungen für ein „ich wünsch mir was“ zu verwenden, ist alles andere als
seriöse Zukunftspolitik. Haushaltsverbesserungen sind als das zu verwenden, was
sie sind:Verbesserungen des Haushalts nach dem Gesamtdeckungsprinzip. Die
Beschlusslage durch den Kreistag ist im Übrigen eindeutig. Die Frage müsste also
richtig lauten, wie weit kommen wir in diesem Jahr auf unserem Weg zur
Klimaneutralität mit den im Haushalt eingeplanten Mitteln. Bei den vielen
Unsicherheiten, die gerade im nächsten Haushaltsjahr verteilt sind, dürfen wir
Verbesserungen nicht im Voraus verplanen.

Meine Damen und Herren,
die CDU-Fraktion wird dem Haushalt in der Form der Ergänzungsvorlage zustimmen.
Die Verwendung der Haushaltsverbesserungen durch die geänderten Zahlen aus
dem Finanzausgleich zur Stärkung des Haushalts, können uns im nächsten Jahr
helfen, die vielen Unwägbarkeiten besser zu bewältigen.

Wir bedanken uns bei den Kolleginnen und Kollegen im Kreistag für die konstruktive
Zusammenarbeit zum Wohle aller Einwohnerinnen und Einwohner, beim Landrat, bei
den Dezernentinnen und den Dezernenten sowie bei allen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern der Kreisverwaltung für Ihren Einsatz und die gute Zusammenarbeit,
dabei insbesondere für die engagierte und zuverlässige Führung der Geschäftsstelle,
und beim Finanzdezernenten Herrn Stephan sowie Herrn Keller mit seinem Team
von der Kämmerei für die kompetente fachliche Begleitung bei der Erstellung des
Haushalts.

Gestatten Sie mir zum Ende eines weiteren Jahres, das mit dem großen
Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landkreises bewältigt werden
konnte, den Bogen zu schlagen und mich ausdrücklich bei allen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern des Landratsamts zu bedanken. Gerade in Anbetracht der starken
Arbeitsbelastungen in diesen herausfordernden Zeiten und den hohen
Anforderungen, die sich aus den vielen neuen Szenarien und veränderten
Rahmenbedingungen ergeben, möchte ich dies besonderes erwähnen und
herausstellen.

Für die CDU-Fraktion
Heiko Genthner

Brief Vorsitzender der CDU Kreistagsfraktion Günther Bächle an den Landrat

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